Die gesamte Wohnung gleicht einem Müllberg. Überall sieht man Berge aus Zeitungen, Kisten, Hausrat, unnützen Dingen, Müllsäcken und ungeöffneten Briefen. Nichts davon kann weggeschmissen werden, es wird immer weiter angehäuft und daran festgehalten.
So oder so ähnlich sieht die Wohnung eines Menschen mit einem Messie-Syndrom aus. Nach Angaben des Deutschen Ärzteblattes leben in Deutschland ca. 1,8 Millionen sogenannte Messies, Tendenz steigend (Gross, Werner: Messie-Syndrom: Löcher in der Seele stopfen. In: DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, 2002). Dass ein Messie nicht jemand ist, der einfach nur keine Ordnung halten kann, ist mittlerweile vielen bekannt. Vielmehr ist das „Messie-Sein“ meistens eine oder ein Teil einer psychischen Krankheit, die therapiert werden muss. Es gibt viele verschiedene Schicksale, die hinter diesen Fällen stecken.
Doch wie sieht es juristisch für betroffene Vermieter aus? Auch hier einmal wieder die Antwort: Es kommt darauf an. Denn selbst die Gerichte untereinander entscheiden da sehr unterschiedlich. Es folgt ein Überblick.
Beispiel 1
Das Landgericht Münster (LG Münster, Urteil v. 16.9.2020, 01 S 53/20) entschied im Fall der fristlosen, hilfsweise ordentlichen Wohnungskündigung des Eigentümers zugunsten des Mieters. Das Landgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Mieter das Recht habe, seine Wohnung mit Gegenständen so einzurichten, wie es ihm persönlich gefällt, „solange sein Verhalten weder zu einer Beeinträchtigung der Mietsache noch der übrigen Hausbewohner führt.“
Beispiel 2
Anders entschied hingegen das Amtsgericht München (AG München, Urteil v. 18.7.2018, 416 C 5897/18; ähnlich AG Hamburg, Urteil v. 18.3.2011, 641 c 363/10). Im dortigen Fall war die Wohnung mit Unrat und angebrochenen Lebensmitteln so stark vermüllt, dass ein Zimmer überhaupt nicht mehr betreten werden konnte. Außerdem waren Schimmelschäden sichtbar und der Parkettfußboden war durchnässt. Auch ein starker, unangenehmer Geruch aus besagter Wohnung ins Treppenhaus wurde wahrgenommen, wovon sich andere Mieter belästigt fühlten. Deshalb befand das Gericht hier die fristlose Kündigung wegen eines Messie-Syndroms für absolut gerechtfertigt.
Beispiel 3
In einem anderen Fall ging es sogar um einen Wohnungseigentümer, der zum Verkauf seiner Eigentumswohnung gezwungen wurde (LG Hamburg, Urteil v. 6.4.2016, 318 S 50/15). Hier entschied das Landgericht Hamburg zugunsten der Wohnungseigentümergesellschaft (WEG). Diese hatte auf der Eigentümerversammlung mehrheitlich den Austausch der Fenster und den Einbau von Kaltwasserzählern beschlossen. Durch die Vermüllung der Wohnung des besagten Wohnungseigentümers war der Zutritt und das Schaffen von Baufreiheit jedoch nicht möglich, sodass dieser seine Wohnung verkaufen musste.
Zuerst sollte natürlich das Gespräch zum (Messie-)Mieter gesucht werden, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Oft brauchen diese Menschen Hilfe, schämen sich aber, darum zu bitten.
Wenn solche Gespräche keinen Erfolg haben, bleibt dem Vermieter nur, dem Messie die Wohnung zu kündigen. Allerdings muss dabei beachtet werden, dass eine Kündigung wenig Aussicht auf Erfolg hat, wenn der Mieter regelmäßig seine Miete zahlt und auch weder Bausubstanz noch andere Mieter geschädigt werden.
In diesem Fall muss das Verhalten des Mieters (ordentliche verhaltensbezogene Kündigung) schriftlich abgemahnt und gleichzeitig eine Frist zur Entrümpelung und Beseitigung vorhandener Schäden gesetzt werden. Wenn der Mieter auch das ignoriert, kann der Vermieter zum letzten Mittel greifen: zur fristlosen Kündigung. Allerdings muss der Mieter die Wohnung dafür „erheblich gefährden“. Und da es keine allgemeingültige Definition dafür gibt, was so eine erhebliche Gefährdung ist, wird vor Gericht immer wieder der jeweilige Einzelfall beurteilt.
Die Kosten hängen von verschiedenen Faktoren ab. Zuerst einmal stellt sich die Frage: Wird nur entrümpelt oder muss die Wohnung anschließend auch noch gereinigt und desinfiziert werden?
Andere Fragen, die zur Kostenermittlung geklärt werden müssen, sind zum Beispiel:
Muss zunächst der Müll vorsortiert werden?
Ist Spezialmüll vorhanden, der gesondert behandelt und entsorgt werden muss?
Besteht eine Gesundheitsgefährdung? Wird Schutzkleidung benötigt?
Ist eine Ozonbehandlung notwendig?
Inwieweit muss eine Renovierung/Sanierung durchgeführt werden?
Ist eine Schädlingsbekämpfung erforderlich?
Ist Schimmel zu beseitigen?
Ist die Wohnung zugänglich?
Und natürlich: Wie groß ist die Wohnung und die damit verbundene Menge an Müll?
Für einen Keller muss man mit ca. 1000 € rechnen. Für eine Zweizimmerwohnung kommen schnell ca. 2000 € zusammen. Doch wer trägt die Kosten?
Messie-Wohnung entrümpeln: Wer zahlt?
Sämtliche Kosten, die mit der Entrümpelung zusammenhängen, hat der Mieter (Messie) zu tragen. Leider bleiben die Vermieter erfahrungsgemäß oft auf den Kosten sitzen.
Besonders tragisch ist es natürlich, wenn Kinder mit in der Messie-Wohnung leben. Je nach Einzelfall muss geprüft werden, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Als solche ist grundsätzlich alles zu verstehen, was „der seelischen und körperlichen Gesundheit eines Kindes oder eines Jugendlichen schadet oder diese bedroht.“
Liegt ein solcher Verdacht vor, sollten Sie dies – zum Wohle des Kindes – umgehend dem zuständigen Jugendamt melden. Sie können das auch anonym vornehmen.
Meist sind die „Messie-Eltern“ überfordert und können die Kinder nicht mehr ausreichend versorgen. Doch egal aus welchen Gründen die Eltern so handeln: Die Kinder müssen geschützt werden und brauchen dafür Hilfe, auch Ihre Hilfe. Nach Bekanntwerden der Situation können sowohl das Jugendamt als auch der Sozialpsychiatrische Dienst den Eltern Beratung und Hilfe anbieten.
Es ist möglich, dass die Ordnungsbehörden wegen einer Messie-Wohnung einschreiten und sich Zutritt verschaffen müssen. Die Ordnungsbehörden haben die Aufgabe der Gefahrenabwehr.
Auch gegen den Willen des Messies ist es in Ausnahmefällen möglich, einzugreifen. Eine solche Ausnahme liegt zum Beispiel vor, wenn anzunehmen ist, dass Tatsachen vorliegen, die das Auftreten und die Verbreitung von Infektionskrankheiten konkret befürchten lassen.
In vielen Städten gibt es bereits Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen. Wenn Sie selbst betroffen sind, Angehöriger eines Betroffenen sind oder jemanden kennen, der unter dem Messie-Syndrom leidet, können Sie das bundesweite Hilfetelefon für Menschen mit Messie-Syndrom nutzen (Telefon: 089-550 64 890). In juristischer Hinsicht, also wenn es um die Durchsetzung von Rechten geht, bleibt Ihnen als Vermieter der Weg zum Amtsgericht nicht erspart. Ich hoffe, hierdurch einen ersten Überblick gegeben zu haben.
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Author: Patrick Young
Last Updated: 1704180962
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