Ein neuer Referentenentwurf zum Zukunftsfinanzierungsgesetz des Finanz- und Justizministeriums legt nahe, dass es zukünftig auch elektronische Aktien geben soll. Inwiefern bald alle Aktien auf Ethereum, Polygon und Co. herausgegeben werden und welche große Hoffnung noch nicht im Gesetz berücksichtigt ist.
Bislang können in Deutschland nur Schuldverschreibungen elektronisch begeben werden. Während also beispielsweise Siemens eine Anleihe auf der Polygon Blockchain begibt, darf die Siemens-Aktie nicht in elektronischer Form verkörpert sein. Für Eigenkapital gilt nach wie vor die physische Urkundenpflicht. Aus diesem Grund soll das elektronische Wertpapiergesetz (eWpG), das es erst seit Juni 2021 gibt, an Aktien angepasst werden.
Das Zukunftsfinanzierungsgesetz
Um den Finanzsektor Deutschland und insbesondere die existierenden Finanzierungsformen ins digitale Zeitalter zu überführen, hat das Finanz- und Justizministerium das Zukunftsfinanzierungsgesetz auf den Weg gebracht. Neben der Digitalisierung geht es auch um grundlegende Themen wie eine verbesserte Mitarbeiterbeteiligung, die Lindners Ministerium zur Förderung von Start-ups und KMUs umsetzen möchte.
Die für den Blockchain-Sektor spannendste Änderung durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz betrifft das elektronische Wertpapiergesetz, das laut dem BTC-ECHO vorliegenden Referentenentwurf vollständig tokenisierte Aktien vorsieht. Dieser nächste Schritt würde also eine gänzlich neue Anlageklasse auf Ethereum, Polygon und Co. hieven.
Eigenkapital auf Ethereum, Polygon und Co.
Das höchste der Gefühle waren in Deutschland bislang Kryptowertpapiere oder Security Token, die als Schuldverschreibungen um eigenkapitalähnliche Eigenschaften wie Partizipationsrechte erweitert werden konnten. Dadurch konnten auch Inhaber von Anleihen an Exiterlösen oder Gewinnausschüttungen partizipieren.
Mit elektronischen Aktien wird nun eine eigene Wertpapiergattung, ergo Eigenkapital, mit ganz klaren Regeln und Investorenrechten für Unternehmen sowie Anleger zugänglich. Ob sich eine Aktiengesellschaft in Zukunft dazu entscheidet, ihre Aktien via Blockchain oder klassisch via Wertpapierurkunde zu begeben, obliegt ihrer freien Wahl. Im Sinne der Technologieneutralität wird es dann zwei parallele „Verbriefungssysteme“ geben.
Allerdings muss man eingestehen, dass Kryptowertpapiere nicht zwangsläufig auf einer öffentlichen Blockchain herausgegeben werden müssen. Dies ist zwar der Trend unter den Banken – Deutsche Bank hat Ethereum genutzt und Siemens bzw. Hauck Aufhäuser Lampe Polygon – doch gibt es auch Ausnahmen. Das Wertpapierinstitut der Sparkassen beispielsweise, die Deka, gibt mit einer geschlossenen DLT-Lösung namens Swiat ihre Kryptowertpapiere heraus.
Intermediäre: Zwei verschwinden, ein neuer kommt dazu
Ein entscheidender Unterschied zwischen traditionellen Aktien und Kryptoaktien liegt in ihrer Registerführung. Aus technischer Sicht bräuchte es diesen neu geschaffenen Intermediär nicht, allerdings sieht der Gesetzgeber vor, dass es eine BaFin-lizenzierte Stelle gibt, die nachhält, wer der Besitzer von elektronischen Wertpapieren ist: der sogenannte Kryptowertpapierregisterführer.
Im Gegenzug kann man sich Zentralverwahrer und Depotbank sparen, ergo zwei Mittelsmänner umgehen. Dies spart nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Man denke nur daran, dass es oft zwei Tage plus dauert, bis eine Umbuchung beim Zentralverwahrer stattgefunden hat – nicht mehr ganz zeitgemäß und dank Blockchain auch nicht mehr nötig. Eine Folge ist, dass sich dadurch auch Kosten für die Liquiditätsbereitstellung senken lassen.
Zumal die Programmierbarkeit von Wertpapieren ganz neue Möglichkeiten bietet, wie der ehemalige CEO der Börse Stuttgart Digital Exchange, Dr. Dirk Sturz, im BTC-ECHO Experts Podcast erklärt.
Kryptoaktien: Der große Wurf?
Auch wenn in Zukunft alle Wertpapierformen nur noch in digitaler Form begeben werden dürften, ist dies noch ein langer Weg. Sicherlich wird es noch einige Jahre dauern, bis sämtliche Infrastrukturen auf Token-Standard umgestellt sind.
Dennoch ist die Miteinbeziehung von Aktiengesellschaften ein wichtiger Schritt, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern. Schließlich können in der Schweiz und in Liechtenstein aufgrund anderer gesetzlicher Vorgaben Aktien rein digital begeben werden. Allerdings sind dort auch Aktiengesellschaften viel verbreiteter als in Deutschland. Während in Deutschland die allermeisten Kapitalgesellschaften GmbHs sind, und es nur sehr wenige AGs gibt, ist dies in der Schweiz und Liechtenstein genau umgekehrt.
Was ist mit digitalen GmbH-Anteilen?
Entsprechend ist zu hoffen, dass sich dadurch wieder mehr Unternehmen in Zukunft entscheiden, eine öffentlich handelbare Aktiengesellschaft zu gründen, um unseren Kapitalmarkt zu bereichern. Letztlich ist es vor allem die öffentliche Handelbarkeit an Börsen, die für Kleinanleger so verlockend ist.
Einen deutlich größeren Impact könnte die Reform haben, wenn man die Tokenisierung auf alle Eigenkapitalformen ausweiten würde. Es also nicht nur Aktien wären, sondern auch GmbH-Anteile, die man in digitaler Form begeben und handeln könnte.
Gemessen am Ausmaß der deutschen GmbH-Landschaft wäre das ein wirklicher Gamechanger. Schließlich könnten dann Kleinanleger, sofern eine Börsenlistung angestrebt wird, ohne Umwege in den deutschen Mittelstand investieren. Bislang ist allerdings nicht bekannt, dass eine derartige Ausweitung des eWpG geplant ist.
Im nächsten Schritt des Zukunftsfinanzierungsgesetzes findet erst einmal eine Verbändeanhörung bis zum 12. April statt. Der aktuelle Referentenentwurf ist ergo noch nicht final und daher noch unter Vorbehalt zu interpretieren.
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Author: Edwin Clarke
Last Updated: 1703031962
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